Exaudi To-Go – 24.Mai 2020
Wer mag zündet eine Kerze an.
Heute ist der Sonntag dazwischen. Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten.
Vielleicht würde ich diesen Sonntag „Patientia“ nennen. Das heißt Geduld. Weil wir an diesem Sonntag warten. Warten darauf, dass der Heilige Geist zu uns auf die Erde kommen. Aber der Sonntag heißt: Exaudi: Hörst du mich, Gott? Ich stehe hier und warte! Bist du noch da?
Psalm 27
Der Herr ist meines Lebens Kraft.
Der Herr ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne:
dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang,
zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn
und seinen Tempel zu betrachten.
Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit,
er birgt mich im Schutz seines Zeltes
und erhöht mich auf einen Felsen.
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
sei mir gnädig und erhöre mich!
Mein Herz hält dir vor dein Wort:
»Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil!
Harre des Herrn!
Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!
Gebet
Gott, deinen Namen will ich singen. Dir entspringt mein Leben.
Aus deiner Schöpfung schöpfe ich, schöpfe meine Kraft.
In deiner Sonne blühe ich.
In deinem Boden wurzle ich.
Aus dir ziehn meine Sinne Saft.
Deine Farben färben mich.
Deine Schatten schlagen mich. Dein langer Atem schafft mir Luft.
In deine Nacht verkriech ich mich, ruhe aus und träume.
Dein Morgen weckt mich auf, spannt meinen Willen an.
Dein Wille setzt voraus. Ich setze nach
und tue, was ich kann.
Dein Abendrot führt mich in Weiten, ich ahne meine Zeit.
Die Dunkelheit führt mir beizeiten dein Amen vor,
die unbekannte Ewigkeit.
Gott, deinen Namen will ich singen – und dann zu guter Letzt
versteck den meinen in deinem großen weiten Kleid. Amen.
(Friedrich Karl Barth)
Schriftlesung Epheser 3, 14-21 (Basisbibel)
Das ist der Grund, weshalb ich vor dem Vater meine Knie beuge. Jedes Volk im Himmel und auf der Erde erhält seinen Namen von ihm. Er soll euch so ausstatten, wie es dem reichen Schatz seiner Herrlichkeit entspricht: Durch seinen Geist soll er euch in eurer innersten Überzeugung fest machen. Denn Christus soll durch den Glauben in euren Herzen wohnen. Und ihr sollt in der Liebe verwurzelt bleiben und unerschütterlich an ihr festhalten. Sie in ihrer Breite, Länge, Höhe und Tiefe zu erfassen, dazu sollt ihr befähigt werden, zusammen mit allen Heiligen. Und ebenso dazu, die Liebe von Christus zu erkennen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr Anteil bekommen an der Gegenwart Gottes, die alles erfüllt. Dank sei Gott, der die Macht hat, unendlich viel mehr zu tun – weit mehr als alles, das wir von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So groß ist seine Macht, die in uns wirkt. Er regiert in Herrlichkeit in seiner Gemeinde – das heißt: in der Gemeinschaft derer, die zu Christus Jesus gehören. Das gilt für alle Generationen auf immer und ewig. Amen.
Glaubensbekenntnis
Wir loben und preisen dich,
Gott, den allmächtigen Vater.
Du hast uns und alle Welt ins Leben gerufen
und waltest über uns mit deiner Güte und Treue.
Wir loben und preisen dich,
unseren Herrn Jesus Christus.
Du bist das ewige Wort des Vaters
und hast uns seine Liebe offenbart.
Du hast unser Menschenlos getragen
und unsere Schuld auf dich genommen.
Du bist am Kreuz für uns gestorben.
Von den Toten auferweckt,
bist du uns nahe mit deinem Trost
und rettest uns im Gericht.
Wir loben und preisen dich,
den Heiligen Geist.
Du hast uns durch die Taufe zum Glauben gerufen
und erleuchtest uns durch die Predigt des Evangeliums.
Du stärkst uns in der Liebe
durch die Feier des heiliges Mahles
und gibst uns eine Hoffnung,
die auch der Tod nicht zerstört.
Aus allem, was Menschen trennen kann,
sammelst du uns in der einen heiligen Kirche
zum Dienst in dieser Welt
und willst uns vollenden in deinem ewigen Reich.
Dir, unserem Gott, sei Ehre in Ewigkeit.
Aus Kurhessen-Waldeck, 1966
Gedanken zu Römer 8, 26-28
26 Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. 27 Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er tritt für die Heiligen ein, wie Gott es will. 28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.
Wir tun es jetzt öfter als noch vor ein paar Wochen: Warten. Und in der Schlange stehen. Ob beim Bäcker oder vor anderen Läden. Manchmal ist die Schlange lang. Mal geht es. Und ist man fertig mit dem Einkauf, dann steht man an der Kasse. Kunde um Kunde geht es voran. Viel wurde gehamstert. Klopapier. Mehl. Nudeln. Hefe. Essig. Datteln. Viele wollten Vorräte anlegen, um über die Runden zu kommen. Und es war ja nicht absehbar, dass bei uns die Läden gar nicht schließen würden. Dass wir keinen Mangel zu leiden hatten. Zumindest keinen, der mit Lebensmitteln zu tun hat.
Und jetzt wird es öfter sein als vor der Krise: am Ende des Monats liegt auf dem Band bei vielen oft nur das allernötigste, ein Päckchen Milch, ein paar Tomaten, ein abgepacktes Brot. Trotzdem kramt der junge Mann vorne langsam und umständlich ein paar Münzen aus dem Portemonnaie. „Student“, denke ich und erinnere mich an einen ehemaligen Mitbewohner aus WG-Zeiten. „Zu dumm, dass am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig ist.“ jammerte der regelmäßig ab dem 27. und schnorrte sich durch unsere Kühlschrankreste. Doch auch die ältere Frau nach ihm zahlt zögerlich das Wenige, das sie mitnimmt. Sie sieht müde aus, abgeschafft, wie viele, die tun, was sie können, und denen es doch nie ganz zum Leben reicht.
Am Ende des Monats und am Abend des Tages in den Supermärkten herrscht eine Atmosphäre des Übergangs. Das Alte ist abgelaufen. Vorbei. Was man nicht bekommen hat, darauf muss man verzichten. Was nicht erledigt werden konnte, bleibt liegen. Auch unbezahlte Rechnungen und unerfüllte Erwartungen. Es bleibt liegen bis zum nächsten Monat. In ein, zwei Tagen. Dann ist alles wieder auf Anfang gestellt. Im Portemonnaie wieder Geld, auf der EC-Karte wieder Kredit für das, was man zum Leben braucht und auch für das, was es ein bisschen bunter werden lässt.
Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist…
Am Ende der Osterzeit stehen wir da wie die Jünger, die gerade noch Jesus verabschiedet haben. Mit ihnen stehen wir da und warten an diesem Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten auf den neuen Anfang. Auf den Geist. Auf die Fülle der Möglichkeiten. Nur ein paar Tage mussten sie damals aushalten. Über die Runden kommen mit ihrem Vorrat an Liebe und Vertrauen. Und auch wenn Pfingsten schon fast 2000 Jahre hinter uns liegt, geht es uns manchmal ganz genauso. Wir kommen über die Runden mit unserem Glauben, wir schaffen es gerade so, den Laden am Laufen zu halten.
Wir wissen nicht, was wir beten sollen…aber wir wissen, dass es weitergeht. Denn: Der Geist hilft unserer Schwachheit auf…
Er kündigt sich an und lässt es Pfingsten werden. Pfingsten, so habe ich vor Kurzem gelesen, sei das „erwachsenste“ Fest im Kirchenjahr, weil man es nicht „spielen“ kann, so wie Weihnachten oder Ostern, weil es dazu keine Krippenfiguren gibt und keine Bilderstöcke am Kreuzweg, sondern weil es einfach geschieht. Weil Vertrauen im Spiel ist und ein gemeinsames Gefühl der Kraft, die ich nicht in mir selbst habe, sondern die von außen kommt. Weil wir selbst dran sind, mitzuwirken an dem, was der Geist erreichen will. Man muss nur etwas Geduld haben und sich die eigenen Vorräte an Kraft und Glauben gut einteilen bis dahin. Am Ende der Osterzeit ist das ein bisschen schwieriger als sonst. Jesus ist weg. Und der Geist noch nicht da. Aber wir können ja noch von dem zehren, was war, die paar Tage – weil das auf uns zukommt, was wir brauchen, um weiter zu leben und zu glauben und zu hoffen und zu vertrauen.
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.
Wir wissen, dass es - ganz am Ende - gut ausgeht. Auch für die, die am Monatsende mit dem Kopf voller Sorgen die letzten Groschen zusammenkratzen. Für die, die im Moment am Leben schwer zu tragen haben. Und wir haben dabei eine Aufgabe: Uns schickt der Geist, dieser Welt von Gott zu erzählen und sie zu verändern. Die Fragen der Kinder zu beantworten. Die Nöte der Alten zu lindern. Die Schöpfung zu bewahren und ein gutes Leben für alle zu wollen. Frieden zu stiften und zu halten. Der Geist hilft uns dabei. Auf diesen Geist warten wir. Nur Geduld – nur wenige Tag noch… Dann hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der weiß, wo-rauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt. Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.
Così sia – so sei es! Amen.
Lasst uns bitten um den Heiligen Geist, durch den alles neu wird:
die Erde und wir selbst.
Es gibt viel Traurigkeit in der Welt und viele Menschen, die weinen:
Wir bitten um den Geist der Freude.
Es gibt viel Sehnsucht in der Welt und viele Menschen, die nur an sich denken:
Wir bitten um den Geist der Solidarität.
Es gibt viel Hass auf der Welt und viele Menschen, die miteinander streiten:
Wir bitten um den Geist des Friedens.
Es gibt viel Angst in der Welt und viele Menschen, die keinen Mut mehr haben:
Wir bitten um den Geist der Hoffnung.
Es gibt viel Verwirrung in der Welt und viele Menschen, die sich nicht mehr zurechtfinden:
Wir bitten um den Geist des Vertrauens.
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Segen
Gott segne uns und behüte uns.
Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns
und sei uns gnädig.
Gott erhebe sein Angesicht auf uns
und schenke uns seinen Frieden.
Amen.
(Vergessen sie nicht, die Kerze zu löschen)
Bleiben Sie behütet.
Gott befohlen
Ihre Pfarrerin Beate Rilke